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Als wir uns entschlossen, ein Fachwerk-Lehmhaus zu bauen, wurden wir von vielen Seiten belächelt. "Mehr könnt ihr euch wohl nicht leisten?" wurden wir auch bedauernd gefragt. Lehm ist zwar ein jahrtausendalter Baustoff, wird aber immer noch in erster Linie mit Armut (Hütten in Afrika) und alten, meist verfallenen kleinen Häusern verbunden. Auf der Welt leben ca. 1,5 Mrd. Menschen (über ein Drittel der Menschheit) in Lehmhäusern, in Deutschland gibt es ca. 2,2 Mio. Lehmhäuser (hier überwiegend Fachwerkhäuser). Aber wie kein anderer Baustoff erfüllt Lehm ökologische und baubiologische Anforderungen, die in unserer Zeit immer mehr an Bedeutung gewinnen. Dass das Bauen mit Lehm solange fast in Vergessenheit geriet, hat mehrere Ursachen. Als aber bei fachgerechter Sanierung alter Fachwerkhäuser und denkmalgeschützter Bauwerke Lehm immer stärker wieder zum Einsatz kam, wurde man auch wieder auf die Vorteile dieses Rohstoffes aufmerksam. Auch das steigendes Interesse an gesunden Wohn- und Arbeitsräumen sowie die Zunahme allergischer Reaktionen von Menschen auf Schadstoffe in herkömmlichen Baumaterialien führten zu einem steigenden Interesse an diesem energiearmen Bauverfahren. Man erkannte, dass zeitgemäße Architektur nicht im Widerspruch zum Baumaterial Lehm steht, ganz im Gegenteil, deshalb wird Lehm immer häufiger in der modernen Architektur in unterschiedlicher Funktion eingesetzt (Dämmmaterial hinter Fassaden oder als Klimaregler - vor allem als Lehmputz). Neue Forschungsergebnisse zum Wärmeschutz und Feuchtverhalten von Lehmbaustoffen, sowie deren Energie- und Schadstoffbilanz bestätigen diese Entwicklung.


Die wichtigsten Vorteile von Lehm:

  • reguliert Luftfeuchtigkeit nachhaltig (Messungen über einen Zeitraum von 5 Jahren ergaben eine fast nahezu konstante Luftfeuchte von ca. 50 % - schwankte um lediglich 5%!)
  • Schadstoffbindend (auch Gerüche) - wurde schon oft beschrieben, leider noch nicht wissenschaftlich nachgewiesen
  • Lehm besitzt die Fähigkeit, in Wasserdampf gelöste Schadstoffe zu absorbieren, wird mittlerweile von Industrie zur Wasserklärung genutz
  • fabelhafter Schallschlucker
  • speichert Wärme (mit entsprechenden Zuschlagsstoffen können wir die heute geforderten Wärmedämmwerte erreichen)
  • einfach und hautfreundlich zu verarbeiten, ungiftig und geruchsneutral
  • Holzkonstruktionen, die von Lehm eingeschlossen sind, werden durch die konservierenden Eigenschaften von Lehm so geschützt
  • Recyclingbaustoff, d.h. durch erneutes Einweichen beliebig wiederverwendbar
  • lässt sich beliebig formen, so dass besonders im Innenbereich kreative Gestaltung möglich ist
  • besser als andere massive Wandbaustoffe schirmt Lehm Räume gegen hochfrequente Strahlungen von Mobilfunknetzen ab
  • kostengünstiger Baustoff, der reichlich vorhanden ist und eventuell auch aus der eigenen Baugrube verwendet werden kann

Dem gegenüber stehen folgende Nachteile:

  • kein genormter Baustoff: Mischung aus Ton, Sand (auch gröbere Bestandteile wie Kies in unterschiedlichen Mengenverhältnissen); daher ist es enorm wichtig, die genaue Zusammensetzung zu kennen, um sie optimal einsetzen oder gegebenenfalls durch Zusätze verändern zu können
  • bei der Trocknung können Risse in der Oberfläche durch Verdunstung entstehen , was durch richtige Zusammensetzung reduziert werden kann
  • bedingt durch erforderliche Trocknungszeit relativ längere Bauzeit
  • geringe Widerstandsfähigkeit gegenüber Wasser im feuchten Zustand (muss in dieser Phase vor Regen und Feuchtigkeit geschützt werden)
  • einfach, aber wichtig:
  • lehmfreier Sockel, um aufsteigende Bodenfeuchte fernzuhalten
  • Dachüberstand, damit kein Regenwasser eindringen kann
  • entsprechende Oberflächenbehandlung

Die oft an uns besorgt gestellte Frage, ob wir keine Angst hätten, dass sich unser Haus bei starkem Regen in seine Bestandteile auflöst und wegschwemmt, hat sich von selbst beantwortet - trotz noch nicht abgeschlossener Verputzung (die auch mit einer Lehmmischung erfolgen wird) steht unser Haus nach vier Jahren und mittlerweile vielen, mitunter auch sehr starken, Regenfällen noch immer! Mittlerweile gibt es eine große Auswahl an Literatur, in der versucht wird, Richtlinien für Lehmbautechniken aufzustellen. Das theoretische Wissen bildet eine wichtige Grundlage, kann und sollte aber nicht die eigene Erfahrung im Umgang mit dem Baustoff Lehm ersetzen. Lehm kommt in tausendfacher unterschiedlicher Zusammensetzung vor und muss dementsprechend immer wieder anders verarbeitet, d.h. gemischt werden. Die Geschichte und Gegenwart des Bauens mit Lehm zeigt, dass nur dann erfolgreich damit gebaut werden kann, wenn Lehmbauerfahrene beteiligt sind. (Bauschäden aufgrund unnötiger Experimente schaden nicht nur dem Bauherren, sondern auch dem guten Ruf des Baustoffs Lehm.)